Wie sieht die Wirklichkeit aus?

 

Können Sie sicher sein, daß die Objekte so aussehen, wie Sie sie sehen? Entspricht das, was Sie auf einem Foto sehen, der Realität? Oder sieht das Haus, der Mensch, die Blume eigentlich ganz anders aus?

Sie glauben, daß etwas so aussieht wie auf einer Fotografie, denn Sie haben es ja mit eigenen Augen gesehen, dennoch bildet ein Foto nie die Wirklichkeit ab. Fotografie ist Manipulation – also das Hantieren – mit der Wirklichkeit. Ein Foto kann so nah dran sein an der Wirklichkeit, daß Sie das Gesehene für wahr nehmen und doch getäuscht werden, denn es handelt sich nur um Möglichkeiten, wie die Wirklichkeit im Moment des Drücken des Auslösers ausgesehen haben könnte.

Ich selber fotografiere seit fünf Jahren mit der Lochbildkamera, weil es großen Spaß macht, mit den verschiedenen Möglichkeiten über das Aussehen eines zu fotografierenden Objektes zu spielen. Zentral ist hierbei der Spaß am Spiel, nicht das Ergebnis, denn es ist immer irgendetwas auf dem Film, mit dem weiterspielen kann. Vielleicht ist ein Negativ „falsch“ belichtet, verwackelt oder man hat den „falschen“ Bildausschnitt erwischt. Irgendetwas Interessantes gibt es immer. Am Ende der Realität beginnt die Fantasie, und besonders das Fotografieren mit der Lochbildkamera eröffnet neue Perspektiven und beflügelt die Fantasie.

Meine Lochbildkamera ist eine umgebaute Agfa Clack, die in den 50er Jahren ein echter Renner war und sehr benutzerfreundlich ist, da man sich nicht mit technischem Detailwissen wie Blenden, Belichtungszeiten und Objektiven herumplagen muß. Sie verfügt über die Einstellungen „M“ wie Moment, was ungefähr 1/30 Sekunde entspricht – eine super Belichtungszeit, um ins direkte Sonnenlicht zu fotografieren und „B“ für Bulb oder Belieben. 2 Sekunden, 2 Stunden, 2 tage oder 2 Jahre – die Belichtung kann man  beliebig nach eigenem Empfinden einteilen. Zeit spielt keine Rolle, das macht die Lochbildfotografie so sympathisch.

Die Lochbildkamera beziehungsweise Camera obscura gehört zu den Anfängen der Fotografie. Im Grunde ist die Lochbildkamera nicht anderes als ein dunkler Kasten, in den durch die Lochblende Licht auf den in der Rückwand befindlichen Film fällt. Sie erfordert ungewohnt lange Belichtungszeiten, bei denen man ganz entspannt nebenbei aufs Klo gehen oder eine rauchen kann. Bewegungen zeichnet sie nur als verschwommene Schatten auf, überhaupt führen Lochbildfotografien zu ungewohnten Schärfeverteilungen, Perspektiven und Linienverkürzungen, woraus sich eine ungewöhnliche Bildwirkung ergibt. Verstärken läßt sich das Phänomen der Unschärfe, indem man ohne Stativ arbeitet. Objekte erscheinen geisterhaft, wie Traumgestalten und eröffnen dem Betrachter den Blick in eigene Welten.

Fotografieren ist einfach und macht einfach viel Spaß!